Mein erster Halbmarathon

20. Nibelungenlauf in Worms

Mein erster Halber, aber keine halbe Sache

Sonntag, 10. September 2023 – 20. Nibelungenlauf in Worms – 1.700 Läufern in verschiedenen Kategorien
meine Disziplin: Halbmarathon 21.1km
mein Ergebnis: 2:14,52 Stunden
meine durchschnittliche Pace: 6,19min/km

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Mit Beginn des Jahres hatte ich ein Ziel vor Augen – einen Halbmarathon bestreiten.
Mit meiner Teilnahme am 20. Nibelungenlauf in Worms sollten 19 Wochen Training enden.

Es gibt eine ziemlich besondere Verbindung zu diesem Event. Denn genau vor zwei Jahren am 10. September 2021 wurde mein Sehvermögen plötzlich immer schlechter.
Nur wenige Tage zuvor, hatte ich an meinem ersten CrossFit Wettkampf in Holland teilgenommen. Nun dachte ich, Auslöser für meine Symptome, war meine Begeisterung zum Sport.
Es begann eine besorgte Ärzte-Odysee. Ich verbrachte Stunden in Wartezimmern verschiedenster Spezialisten wie Augenarzt, Physiotherapie, Orthopäde. Trotz aller Untersuchungen und Behandlungen gab es keine Antwort, was der Auslöser sei und sich mein Sehvermögen immer mehr verschlechterte. Ich erlebte Tage der Ungewissheit und ständig wachsender Angst. Nach sechs Tagen saß ich dann komplett aufgelöst mit einem Notüberweisungsschein bei einem Neurologen. Dieser müsse sich mein Kopf von innen anschauen mittels einem MRT. Ich müsste allerdings circa sechs Wochen warten oder ich begebe mich direkt in ein Krankenhaus. Bumm.
Meine Familie alleine lassen, alles stehen und liegen lassen, was ist mit der Arbeit, Haus, Terminen… ? Ich stand unter Schock. Doch mein Bauchgefühl sagte mir, ich muss das tun! Denn nur gesund kann ich für all meine Lieben da sein.
Somit lag ich nachmittags allein, begleitet von dieser unaufhörlichen Angst, in meinem Zimmer der Neuro-Fachklinik für unbestimmte Zeit. Zu dem Zeitpunkt konnte ich nicht mal mehr meine Füße sehen und ich wünschte mir nichts mehr als Gesundheit. Ich wurde direkt von Kopf bis Fuß untersucht und tagdarauf kam ich in dieses MRT. Es gab somit recht zügig eine Diagnose, die durch eine Lumbalpunktion bestätigt wurde. Ich bin unheilbar krank und habe eine Autoimmunerkrankung. Eine Fehlsteuerung des Immunsystems, bei der körpereigene Zellen angegriffen werden.

Multiple Sklerose. MS.

Die Krankheit mit tausend Gesichtern.

Diese Worte, um die MS zu beschreiben, machen mich unendlich traurig und noch immer fällt es mir schwer zu glauben, das dies mein Weg sein soll. Ich mache doch viel Sport, ich ernähre mich bewusst, meine Blutwerte sind immer lobenswert, ich schlafe ausreichend und ich rauche nicht. Fast täglich frage ich mich, habe ich diese Krankheit wirklich?
Nun ist es zwei Jahre her und es ist Arbeit – ich scheue keine Mühen mit meinem lebenslangen Begleiter gut auszukommen. Bis jetzt verstehen wir uns ganz gut. Wir sind uns nicht immer einig, aber wir nähern uns immer wieder an. Mein Körper, wie auch meine Seele haben seither viel Aufrichtigkeit, Harmonie und Fürsorge erfahren dürfen und wir bemühen uns täglich, positiv voraus zu schauen. Man muss lernen anzunehmen, was das Leben für einen bereithält.
Da ich mich seit meinem ersten Schub zu meinem Glück gut und stark fühle, war ich bereit, mir einen Halbmarathon als Ziel zu setzen. Ein durchdachter Trainingsplan wurde zum wochenlangen Zeitvertreib. Lange Ausdauereinheiten in Kombination mit meinem Mobilitytraining rundete ich mit entspannten Yoga Momenten ab. Als ich ein paar Tage zuvor meinen letzten Trainingslauf absolvierte, war ich komplett verwirrt. Freudige Aufregung paarte sich mit enormer Unsicherheit. Wie wird mein Körper diese Strapaze wegstecken, schaffe ich es mental durchzuhalten? Ich hatte tatsächlich bis zuletzt enorme Bedenken und Angst. Doch mein Neurologe versprach mir, dass Sport keinen Schub verursacht. Bewegung ist Heilarbeit.

Und so sollte es sein!
Mit meinem Heilstein, Krafttier und Mantra „Mein Körper und ich sind stark, wir schaffen das zusammen“ stand ich mit motivierten Menschen am Startfeld und 10:00 Uhr fiel der Startschuss.
Ich war direkt sehr zügig unterwegs inmitten von 342 Halb’lern am Rheinufer entlang. Die anderen Läufer haben mich „getragen“ und ich habe eine wirklich stolze Leistung zur Halbzeit hingelegt. Doch war mir von Beginn an bewusst, dass ich dieses Tempo nicht bis zum Ende halten kann, ohne Wehwehchen oder Leistungseinbrüche zu spüren. Da das Feld der Teilnehmer sich in der zweiten Runde nun mehr entzerrte, fand ich eine angenehme Schrittfrequenz für die nächsten Kilometer. Nicht mehr ganz so mühelos erging es mir dann aber kurz vorm Schluss, ab Kilometer Siebzehn. Bei gefühlten 30 Grad in praller Mittagssonne war ich am verdursten und ich dachte kurz mal ans Aufgeben. Doch war ich zu zielstrebig und verbissen, ich war doch schon so weit gekommen.
Und da war es – das Ziel nach 21,1km und 2:14,52 Stunden. Es durchströmten mich Glücksgefühle, ein kühler Schauer voller Rührung und Gänsehaut von Kopf bis Fuß. Ich spürte direkt Erleichterung. Ich ließ dieses schwere Gepäck voller Strapazen, Mühen, Stress und Emotionen endlich fallen. Mein Körper war ganz losgelöst, alle Anspannung und Anstrengung waren wie weggeblasen und am liebsten wäre ich zu Boden gefallen. Ich war überglücklich meine Familie zu sehen, die mich freudestrahlend und stolz erwartete. Ich war ihre Gewinnerin – und sie (und kaltes klares Wasser im Zielbereich) waren meine Motivation durchzuhalten und schnell ans Ziel zu kommen.

Meinem Körper möchte ich voller Liebe und Stolz danken. Was wir gemeinsam leisten, ist für mich keinesfalls selbstverständlich. Doch glaube ich fest daran, das wir alles schaffen können.
Tausend Dank an alle Lieben, die mich immer und jederzeit unterstützen. Eure Gedanken, Glückwünsche und Nachfragen sind sehr bedeutsam. Euch um mich zu wissen, tut gut.

Auf das, was da noch kommt.

Eure Nancy

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